Metzgermeister Georg Schuler ist seit 1991 Geschäftsführer des bekannten Traditionsbetriebs Fleischhof Oberland in Imst. Vor zwei Jahren hat er als Innungsmeister den Chefsessel des Tiroler Lebensmittelhandwerk übernommen und navigiert dieses seither mit viel Fachwissen und Engagement durch die schwierige Zeiten. Wie erfolgreich er dabei ist, erzählt er im Interview.
Fleisch & Co: Wie steht es aktuell um das Tiroler Fleischerhandwerk?
Georg Schuler: „Die Mitgliederzahl der Metzger:innen ist im Vergleich zu 2020 marginal sinkend. Laut Statistik sind es drei Metzgereibetriebe weniger in vier Jahren (2020: 126). Allerdings bauten manche Metzgereien ihr Filialnetz aus. Somit können wir insgesamt von einer stabilen Entwicklung sprechen. Bei den Lehrlingen verzeichneten die Fleischer:innen ebenfalls einen leichten Rückgang. 2020 waren 45 Lehrlinge und im Jahr 2023 waren 43 Lehrlinge in Ausbildung. Das Bewusstsein für handwerklich produzierte Lebensmittel in der Tiroler Bevölkerung ist gerade in Krisenzeiten gestiegen. Der Hauptanteil dabei ist Schweineleisch, Rindfleisch liegt auf Platz zwei, gefolgt von Gelügel – hier gibt es das größte Wachstumspotenzial. Das Angebot hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Der Convenience-Bereich ist heute ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor für die Fleischer-Betriebe. Zudem reagierten die Tiroler Metzger:innen erfolgreich auf Trends wie z. B. Dry Aged Steaks oder den Grillboom. „Nachhaltigkeit und Tierwohl werden von Konsumenten verstärkt nachge- bzw. hinterfragt. Hier heben wir uns durch unsere regionalen Bezugsquellen ganz klar vom anonymen Massenprodukt ab. Die gewerblichen Lebensmittelbetriebe und insbesondere die Fleischer haben für Tirol eine immense Bedutung. Erst kürzlich hat eine durch die Landesinnung beauftragte Studie der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) gezeigt, dass unsere Mitgliedsbetriebe in Tirol jährlich 512,9 Millionen Euro zur Wertschöpfung beitragen. Diese Zahl untermauert unseren wichtigen Stellenwert in Tirol. Die Ergebnisse unserer Leistungen spürt das ganze Land.“
Fleisch & Co: Wo sehen Sie derzeit die größten Probleme?
Georg Schuler: „Die umfangreiche Bürokratie und die Vielzahl neuer Vorschriften, wie das Lieferkettengesetz und die Entwaldungsverordnung, stellen erhebliche Anforderungen an die Planbarkeit und Flexibilität von Unternehmen. Darüber hinaus tragen Faktoren wie der hohe Rohstoffpreis, die hohe Inflation, die Zinsbelastungen, Lohnkosten, Energiekosten und Transportkosten zur Unsicherheit bei. Es ist für die Betriebe nicht einfach, sich in diesem komplexen und sich ständig wandelnden Umfeld zurechtzufinden. Es ist entscheidend und wichtig, dass die Politik mit der Wirtschaft gemeinsam an Lösungen arbeitet, um die Planbarkeit und Stabilität für die Unternehmen zu verbessern.“
Fleisch & Co: Es gibt immer wieder Berichte über erfolgreiche Betriebe. Welche positiven Entwicklungen möchten Sie besonders hervorheben?
Georg Schuler: „Ich besuche als Innungsmeister regelmäßig Betriebe in Tirol und kann mir dadurch ein Bild vor Ort machen. Bei allen Schwierigkeiten, die unsere Branche derzeit hat, darf ich trotzdem immer wieder feststellen, dass unsere Mitglieder mit Innovation und Investitionen den schwierigen Rahmenbedingungen und Krisen entgegenhalten. Ich darf beispielsweise noch in diesem Monat einer Eröffnungsfeier der neuen Produktionsstätte der Metzgerei Mayr von Josef Mayr teilnehmen und mir ein Bild über die neue Produktionsfirma auf höchstem technischem Niveau machen.“
Fleisch & Co: Welche Projekte konnten erfolgreich abgeschlossen werden?
Georg Schuler: „Vor drei Jahren haben wir das Projekt ,Tirol Schmeckt‘ ins Leben gerufen und eine neue Website erstellt, um unseren Mitgliedern einen attraktiven Online-Auftritt zu ermöglichen. Auf unserer Webseite, die Sie unter www.tirol-schmeckt.at finden, haben alle Mitglieder die Möglichkeit, sich mit Porträts, Geschichten und Videos kostenlos zu präsentieren. Außerdem sind alle Mitgliedsbetriebe auf Google Maps verzeichnet. Zusätzlich bewerben wir unsere Mitgliedsbetriebe auf sozialen Medien wie Facebook und Instagram. Die Zugriffszahlen belegen unseren Erfolg: Seit dem Start im Jahr 2021 haben wir 1,1 Millionen Nutzer, die mindestens einen Beitrag auf Facebook oder Instagram gesehen haben. Auf beiden Plattformen haben wir bereits 8.000 Follower gewonnen. Darüber hinaus organisieren wir in jedem Bezirk eine „Tirol Schmeckt Tour (Tag)“. Der Bezirk Kufstein steht noch aus und wird am 13. November 2024 in der Käserei Plangger stattfinden.“
Fleisch & Co: Was ist für die Zukunft geplant?
Georg Schuler: „,Tirol Schmeckt‘ wird auf jeden Fall bestehen bleiben. Momentan wird dies evaluiert, um herauszufinden, was wir verbessern oder neugestalten können. Die neuen Ideen werden im Ausschuss besprochen, beschlossen und anschließend umgesetzt.
Fleisch & Co: Im März 2025 stehen die Wahlen an. Wie bereiten Sie sich darauf vor und was dürfen die Betriebe erwarten?
Georg Schuler: „Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren und unsere Wahlliste steht seit April fest. Im Herbst planen wir einen Informationsnachmittag mit allen Kandidaten, um uns intensiv mit den Wahlthemen auseinanderzusetzen. Mein Ziel ist es, einen Ansatz zu entwickeln, der eine engere Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedsbetrieben ermöglicht. Dadurch können wir schneller erkennen, wo Handlungsbedarf besteht und wo Unterstützung erforderlich ist.“
Fleisch & Co: Welche Schritte wären vonseiten der Politik dringend notwendig?
Georg Schuler: „Es sollten Gesetze verabschiedet werden, die für kleine und mittlere Unternehmen praktikabel und umsetzbar sind. Zudem sollten die von der öffentlichen Hand betriebenen Küchen die Möglichkeit erhalten, beim örtlichen Fleischer einzukaufen, selbst wenn die Preise dort höher sind als beim Großhändler. Dadurch könnten Arbeitsplätze gesichert und die Wertschöpfung im Land gefördert werden!“
Fleisch & Co: Was wäre Ihr größter Wunsch für das Fleischerhandwerk?
Georg Schuler: „Ich wünsche mir eine Reduzierung der Bürokratie, praktikable Lösungen in der Gesetzgebung sowie mehr Verständnis und Unterstützung von der Politik für unsere Mitgliedsbetriebe.“
Autorin: Tanja Braune